Immer positiv denken
Nach vielen Wochen Blog-Abstinenz ist es wohl langsam an
der Zeit, sich nochmal mit ein paar Neuigkeiten zu melden. In manchen Momenten kann ich es nicht glauben, dass ich
nun über zwei Monate hier in Mae Sot lebe. Zwei Monate, das bedeutet, an einem
komischen Punkt zu stehen, an dem die Grenze zwischen Alltag und dem tollen
Gefühl, dass alles so neu und anders ist, verschwimmt. Es bedeutet, dass man
sich selber erlaubt, bestimmte kulturelle Aspekte schlichtweg nervig zu finden
und nicht mehr den Anspruch hat, sich auf alles einzulassen. Es bedeutet
Ungeduld und die Frage: „Was zum Kuckuck mache ich hier eigentlich?“. Es heißt
das erste Heimweh nach Gewohnheiten von zu Hause zu haben (einen herbstlichen
Apfelkuchen backen, Kastanien sammeln, Regenspaziergänge am Meer… warum beschwert ihr euch alle über den Herbst?). Aber auf der anderen
Seite bedeutet es auch einen gewissen Stolz auf den „Status Alltag“ zu haben, denn
das heißt auch, in der anderen Kultur angekommen zu sein, sich eventuell sogar ein
Stück „integriert“ zu haben – ein großes Wort! Die letzten Wochen waren von so
einigen Höhen, und Tiefen gekennzeichnet, da sich die Aufgabenfindung und die
Kommunikation auf der Arbeit als komplizierter als gedacht herausgestellt
haben. Wer hat aber auch behauptet, dass es einfach werden würde als
Freiwillige in Thailand zu arbeiten? Ich möchte mich also gar nicht lange beschweren.
Bei allen Höhen und Tiefen versuche ich einfach immer wieder das Positive in
den Vordergrund zu rücken. Zum Beispiel all die Erlebnisse, die meine Freizeit
hier prägen oder meinen interessanten Wohnort…
Bunte Vielfalt in
Mae Sot
Auf dem Markt |
Hier in Mae Sot treffen Burma und Thailand zusammen: Die
Grenznähe macht Mae Sot zu einem Einwanderungsort für Migranten aus Burma.
Längst nicht alle von ihnen sind offiziell erfasst. Viele der Einwanderer leben
illegal in Thailand und nutzen die Chance hier eine Arbeit zu finden oder
geschützt von der politischen Situation ihres Heimatlandes zu leben. Dafür
setzten sie sich aber auch der Gefahr aus, als Illegale entdeckt zu werden. Zu
den Einwanderern, von denen viele einer der ethnischen Minderheiten des
Vielvölkerstaats Burma angehören, kommen natürlich Thais sowie Chinesen und
eine nicht unbeträchtliche Anzahl „Westler“, von denen die meisten bei den im
Ort ansässigen NGOs arbeiten. Diese Mischung unterschiedlicher Kulturen prägt
das Stadtbild und macht Mae Sot zu einem bunten Entdeckungsort. Die Stadt
bietet auch eingeschworenen „Westlern“ ein recht annehmliches Dasein. Es gibt Coffee
Shops, einen großen Tesco-Supermarkt und Dunkin Donut. Westliche Einflüsse –
auch das ist Thailand. Auch wenn ein Donut von Zeit zu Zeit ein netter Genuss
ist, so ist es doch vor allem spannend, das Fremde zu entdecken. Nach über zwei
Monaten nimmt man die vielen Eigenarten und Besonderheiten der Stadt gar nicht
mehr so richtig wahr. Überall reihen sich kleine Garküchen aneinander, durch
die Straßen drängen sich Motorroller, mit Gemüse und Menschen vollgeladene Pick-Up-Trucks
und Fahrräder und überall dazwischen streunen Hunde (die mich regelmäßig in den
Wahnsinn treiben). Auf dem burmesischen Markt gibt es neben Schlangen,
Schildkröten und Ratten natürlich die asientypischen frittierten Insekten zu
erstehen. Die Marktfrauen verkaufen an ihren Ständen Berge an frischem Gemüse,
Fleisch, Haushaltsgegenstände, Kosmetik, Stoffe. Die meisten der Frauen sind aus Burma - sie tragen lange Röcke aus bunten Stoffen
und haben Thanaka auf den Wangen, eine gelbliche Paste, die vor der Sonne
schützen und das Gesicht kühlen soll. Nach zwei Monaten bewegt man sich recht
sicher durch das alltägliche Chaos und hat sich an die Dinge, die einen
umgeben, längst gewöhnt. Es gibt viele kleine Besonderheiten, dich mich immer
wieder sehr glücklich stimmen. Es sind die Begegnungen mit Menschen aus anderen
Ländern, anderen Kulturen. Es sind die beiden Koreaner, die doch tatsächlich
aus Gangnam kommen oder der Burmese, der eine Bar eröffnet hat. Man begegnet sich an unterschiedlichen Orten,
abends auf ein Bier oder am Samstagmorgen auf einen Kaffee – und erzählt! Es ist Alltag, der sich aber doch jeden Tag neu
definiert.
So schmeckt Burma
Da müssen alle Hände ran - Mandalay Nudelsalat... |
Mandalay Nudelsalat & Kartoffelknödel :-) |
Stolz auf das Menü! |
In Mae Sot kann man Burma kennenlernen, ohne über die
Grenze zu gehen. Also stürzen wir uns einen Samstag lang in die burmesische
Esskultur und machen einen Kochkurs. Wir werden von zwei wunderbaren Menschen,
Mo Mo and Bo Bo, angeleitet, die uns in die Geheimnisse der burmesischen Küche
einweisen. Nachdem wir uns aus dem kleinen Kochbuch ein Menü zusammengestellt
haben, geht es zuerst einmal mit drei Körben auf den Markt zum Einkaufen. Wir
haben uns für ein Kürbiscurry, gefüllte Kartoffelknödel, Mandalay Nudelsalat
und einen Limetten-Basilikum-Drink entschieden. So richtig viel können wir uns
darunter noch nicht vorstellen, deswegen steigt die Spannung je voller unsere
Körbe werden. Die Mittagshitze auf dem Markt macht uns zu schaffen, deswegen
haben wir uns eine Pause in einem der burmesischen Tea Shops wohl verdient. In
Burma gibt es eine ausgeprägte Teekultur – wohl ein Überbleibsel aus englischen
Kolonialzeiten. Man trinkt starken schwarzen Tee mit süßer Milch und Honig.
Nach unserer kleinen Pause geht es zurück und das große Kochen beginnt. Für die
nächsten zwei Stunden wird geschnibbelt und geschnitten, gedünstet und gebraten.
Währenddessen lernen wir auch viele interessante Fakten über die Esskultur in
Burma kennen, die sehr vielseitig ist. Im Norden Burmas ist das Essen eher
durch die chinesische Küche geprägt, im
Westen findet man dagegen zum Beispiel viele indische Einflüsse. Das
Volk der Karen ist vor allem für die Zubereitung von Currys bekannt. Kürbisse
gibt es in Karen State (im Osten des Landes gelegen, an Thailand grenzend) im
Überfluss und die Zubereitung von Curry ist sehr beliebt. Als Füllung für
unsere Kartoffelknödel bereiten wir eine Masse aus Zwiebeln, Eiern, Kohl und
Sojasauce zu und stopfen unsere selbstgeformten Knödel hiermit, ehe sie in
heißem Öl frittiert werden. Nudeln kamen bereits im 18. Jahrhundert durch die
Chinesen nach Burma. Vor allem in Regionen mit einer größeren chinesischen
Population sind Nudeln sehr beliebt, allen voraus in Mandalay (der zweitgrößten
Stadt Burmas, zentral in der Mitte des Landes gelegen), wo Nudeln noch traditionell
aus Weizen oder Eiern hergestellt werden. Für unseren Nudelsalat verwenden wir
Eiernudeln, die auf einer großen Platte mit den Händen mit vielen anderen Zutaten
gemischt werden. Frittierte Tofu-Stücke, frische Sprossen, Zwiebeln, Kohl und
Flaschenkürbisse werden zusammen mit Kichererbsenmehl, Koriander und Safran zu
einem Salat verknetet. Basilikum gilt in Burma als sehr wertvoll für die
Gesundheit und findet deswegen viel Verwendung in Gerichten. Vor allem in den
städtischen Räumen in Burma erfreuen sich frisch zubereitete Kräuterdrinks
großer Beliebtheit. Diesen Genuss testen wir an diesem Tag und bereiten aus
Limettensaft und geschreddertem Basilikum sowie Wasser, Eis und ein wenig
Zuckersirup einen erfrischenden Drink. Kochen macht Spaß, aber der viel bessere
Part kommt erst danach: das Essen! Wer glaubt, die thailändische Küche sei
fantastisch, der hat noch nie burmesisch gegessen. Zu Hause darf man sich bereits
darauf freuen, denn dank unseres kleines Kochbüchleins werde ich auch im fernen
Deutschland ein wenig burmesische Esskultur einführen können… ;-)
Sukhothai - Stadt der „Morgenröte der Glückseligkeit“
Kokosnusspudding - das beste Frühstück! |
Auch wenn ich meine Wochenenden in Mae Sot sehr liebe, war
ich vor einigen Wochen froh, gemeinsam mit zwei amerikanischen Freundinnen das
historische Sukhothai, circa 3 Stunden nord-östlich von Mae Sot gelegen, zu
besuchen. Sukhothai – übersetzt Morgenröte der Glückseligkeit – ist die alte
Hauptstadt des Königreiches Sukhothai und gilt als Wiege Thailands. Die Thai
eroberten im Jahre 1238 eine Khmer-Siedlung, aus der das spätere Zentrum des
Königreiches Sukhothai entstand, welches weite Teile des heutigen Thailand
umfasste und bis ins 15. Jahrhundert hinein bestand. König Ramkhamhaeng
entwickelte aus der Mon-Schrift das heutige Thai-Alphabet. Nach einer rasanten
Busfahrt kommen wir spät am Abend in Sukhothai an und werden von einem freundlichen
Thai auf dessen „Karren“ mit gefühltem 1PS-Motor zu unserem Gästehaus gebracht.
Dort werden wir von einem älteren Herrn in einem gelben Morgenmantel und
starkem italienischem Akzent empfangen. Paulo versorgt uns mit einem Zimmer und
nach einem kleinen Abendbrot fallen wir auch schon in die Betten. Schließlich
entdecken wir am nächsten Morgen erst die Schönheit unserer Unterkunft: Zu
unserem Zimmer führt eine kleine Brücke, unter der sich Seerosen und kleine
Frösche tummeln und der Weg zum Frühstück führt durch einen tropischen Garten
mit bunten Vögeln und kleinen Oasen mit Hängematten und traditionell geschnitzten
Sitzgelegenheiten aus Holz. Schon von weitem hören wir Paulo „Bon Giorno“ rufen
und bekommen heute ein ganz besonderes Frühstück serviert: Es gibt frisch
gebrühten grünen Tee, selbstgemachte Ananas-Marmelade sowie Kokosnusspudding
vom lokalen Markt, der gemeinsam mit Honig und Bananen gegessen wird. Nach
diesem Genuss machen wir uns auf den Weg und erkunden mit unseren Fahrrädern
die Ruinen von Sukhothai. Zwischen kleinen Seen und grünen Wiesen finden sich
riesige Buddha-Statuen und die Ruinen alter Tempelanlagen. Unseren Nachmittag
verbringen wir anschließend an Paulo’s Pool :-).
Mit dem Fahrrad durch die Felder |
Doch am Abend brechen wir noch
einmal auf und radeln in der wunderschönen Abendstimmung durch weite Reis- und
Zuckerrohrfelder, zwischen denen immer wieder Reste alter Tempel auftauchen.
Die Stimmung hat etwas Besinnliches und es tut gut, frische Landluft einzuatmen…ich
fühle mich offiziell wie im Urlaub! Mit Untergang der Sonne entdecken wir die
alten Ruinen auf’s Neue. Nun sind wir alleine mit den Buddhas, denn alle
Touristen haben sich bereits zurückgezogen. Die Anlage erscheint nun für einige
Stunden im Licht großer Scheinwerfer. Fast bekomme ich ein wenig Angst, denn es
scheint tatsächlich so, als würde Buddha jeden Moment aus seiner tiefen
Meditation erwachen… Nach unserem Abendessen (scharfe Kokosnusssuppe!) verkriechen
wir uns auch schon in unsere Betten, denn am nächsten Morgen heißt es früh
aufstehen, um nicht den Sonnenaufgang zu verpassen. Gegen viertel nach fünf
brechen wir mit unseren Fahrrädern auf und nehmen diesmal eine weite Route, die
uns zu einem Aussichtspunkt bringen soll. Wieder fahren wir durch weite
Reisfelder und es wird klar, womit Sukhothai seinen Namen verdient hat. Die
Morgenröte gibt den alten Ruinen etwas Magisches und spätestens nach einer
Stunde Radeln mit plattem Reifen und dem Besteigen von 200 Stufen, spüre ich
Glückseligkeit. Aber es lohnt sich – denn der Blick über das Plateau, welches
vom Berg sichtbar ist, ist wahnsinnig schön. Besinnt kehren wir also am
Sonntagnachmittag zurück nach Mae Sot, welches nun unglaublich hektisch und
laut wirkt. Aber schließlich kann man nun von Reisfeldern, Buddhas und
Kokosnusspudding träumen…
Ich hoffe, ich konnte euch allen ein wenig Einblick in
mein Leben hier in Thailand geben. Ich wünsche euch allen einen wunderbaren
Herbst und schicke euch viele Sonnenstrahlen aus dem immer noch heißen Mae Sot.
Oppan Gangnam Style! ;-) (Daran kommt man hier seit Wochen nicht vorbei…).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen