Goldene Pagoden, Mönche in roten Roben und ethnische Vielfalt - all das findet man auf einer Reise nach Myanmar, dem ehemaligen Burma. Doch je länger man durch die trockenen Landschaften fährt, sich vom Chaos der Städte beeindrucken lässt und Menschen begegnet, erfährt man noch etwas ganz anderes: Glück.
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Die Shwedagon Pagode in Yangon |
Aufbruch
Früh am Morgen sitze ich ein wenig nervös am Flughafen und lasse meine Gedanken kreisen.
Ich bin auf dem Weg in ein Land, das 20 Jahre lang von einem grausamen ethnischen Konflikt heimgesucht worden ist und von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten war. Ein Land, dessen Bevölkerung in die Nachbarländer fliehen musste und bis heute Angst haben muss, zurückzukehren. Leider werde ich nicht nach Karen-State reisen können, dem Gebiet, aus dem die meisten Flüchtlinge kommen, mit denen ich arbeite. Dennoch bin ich gespannt darauf, was mich erwarten wird und was ich erleben werde.
Eckdaten
Ein paar Eckdaten: Myanmar hat rund 50 Millionen Einwohner (nach Schätzungen der Vereinten Nationen) und ist mit einer Fläche von circa 676 km² sogar etwas größer als Thailand und fast doppelt so groß wie Deutschland. Auf der Rangliste des Human Development Idex liegt es derzeit auf Platz
149 (von 187). Der HDI misst und vergleicht elementare Enwicklungsdaten
anhand des Pro-Kopf-Einkommens, der Lebenserwartung sowie des
Bildungsstandes (Weitere Informationen:
http://hdrstats.undp.org/en/countries/profiles/mmr.html). Regierungssitz und seit 2008 Hauptstadt ist Naypiydaw, während mit rund 6,5 Millionen Einwohnern das kultrelle, politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes die Stadt Yangon (Rangun) ist. Etwa 70% der Bevölkerung sprechen Burmesisch und circa 89% sind Buddhisten. Es werden rund 135 Volksgruppen gezählt, die während der Militärdiktatur bis heute verfolgt und vertrieben wurden. Derzeit gibt es vor allem im Westen des Landes Unruhen und gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen. Die muslimische Minderheit der Rohingya gilt derzeit als die meist verfolgte Minderheit in Burma (Siehe dazu:
http://world.time.com/2013/04/23/burma-accused-of-ethnic-cleansing-for-rohingya-violence/).
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Mohinga - Frühstück im Tea Shop |
Erstes Ziel: Yangon
Am frühen Morgen bereits erreichen wir den Flughafen von Yangon. Die Einreiseformalitäten erledigen sich schnell, schließlich haben wir bereits unser Visum im Pass. Jen, meine Mitreisende und ich, bekommen schnell ein Taxi. Der freundliche Fahrer bringt uns ins Zentrum der Stadt, welches sich rund um die Sule-Pagode ausbreitet. Auf dem Weg erzählt der Taxi-Fahrer uns unglaublich viel und ist neugierig. Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hinreisen? Was macht ihr in Thailand? Wie lange bleibt ihr? Die Fragen häufen sich nur so und aus ihm spudeln unglaublich viele Informationen heraus. Besonders aufmerksam macht er uns auf das Haus von Aung San Suu Kyi, der Volksheldin von Myanmar. Ihr begegnen man auf seiner Reise überall: Sie ist auf Plakaten, Büchern, Aufklebern und ständig im Gespräch. 15 Jahre lang hat die Nobelpreisträgerin unter der Militärherrschaft unter Hausarrest gestanden, weil sie sich für eine friedliche Demokratisierung ihres Landes eingesetzt hat (Filmtipp: "The Lady"
http://www.youtube.com/watch?v=SMYAzQC3UjI). Nachdem wir ein nettes Guesthouse gefunden haben, machen wir uns auch gleich auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Viele Gebäude in Yangon sind durch die britische Kolonialarchitektur geprägt - jedoch ist viel davon völlig verfallen. Wir machen Halt an einem der vielen Tea Shops. Diese kleinen Cafés sind die alltäglichen Lebensmittelpunkte in Burma. Hier geht man Essen, trifft Freunde, schaut Fernsehen, liest die Zeitung. Auf dem Tisch steht immer eine Kanne mit heißem Tee, drum herum kleine Tässchen, aus denen man kostenlos Tee trinken darf. Wir bestellen zwei Mal Mohinga, das typische Frühstück. Es ist eine Suppe aus - ach, eigentlich weiß ich gar nicht so genau woraus sie besteht. Sie schmeckt ein wenig fischig und lecker....
Am Abend dieses wunderbaren ersten Entdeckungstages besteigen wir die heiligste Pagode Myanmars: Shwedagon. Sie erhebt sich glänzend über die chaotische Stadt und ist mit Tonnen Gold und Edelsteinen geschmückt. Unsere Schuhe lassen wir bereits an den unteren Stufen stehen, ehe wir uns durch diesen meditativen Ort mitten im Großstaddschungel beeindrucken lassen. Hunderte Buddhisten knien betend vor den unzähligen Buddha-Statuen, machen sauber oder führen Gespräche, während sie über die riesige Plattform spazieren. Nachdem wir die vielen Ecken und Wege der Shwedagon Pagode entdeckt haben und die Abendsonne das Gold in rötlichem Licht erstrahlen lässt, machen wir uns auf den Weg zurück zu unserem Gasthaus. Wir fühlen uns auf seltsame Weise ausgeglichener und ruhig. Der erste Schritt in Richtung Glück.
Zweites Ziel: Inle-Lake
Nach einem zweiten Entdeckungstag und einer unerträglich heißen Nacht ohne Strom und fließend Wasser in unserem Gasthaus in Yangon, nehmen wir den Nachtbus zum Inle-Lake, dem zweitgrößten See des Landes. Dieser liegt zentral im östlichen Shan-State.
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Ein junger Fischer |
Der Nachtbus ist eine bequeme Reisemöglichkeit, wenn auch mein Sitz (als einziger im ganzen Bus) aufgrund eines Defekts nicht zurücklehnbar ist...So schaue ich die ganze Nacht den Leuten um mich herum beim Schlafen zu und bin froh, nach Ankunft in Nyaungshwe am Inle-Lake noch einige Stunden Schlaf nachholen zu können. Am Inle-Lake erreichen wir die zweite Glücks-Etappe. An unserem ersten Tag machen wir eine Fahrradtour am See entlang. Es ist heiß - aber weitaus kühler als in der stickigen Großstadt. Vorbei an Reisfeldern, winkenden und lachenden Kindern geht es bis zu einem kleinen Tempel, der auf einem Hügel steht. Der Ausblick ist wunderbar...In der Ferne der See, umschlungen von den hohen Shan-Bergen, deren Gipfel in leichte Wolkenschleier getaucht sind. Ich spüre pures Glück. Anschließend gehen wir in heißen Quellen baden. In Sarongs - hierzulande Longyis genannt - gehüllt entspannen wir im heißen Wasser und witzeln gemeinsam mit den einheimischen Frauen herum. Am frühen Abend, als sich die Sonne langsam dem Horizont entgegen neigt, entdecken wir ein Weingut in den Bergen. Pünktlich zum Sonnenuntergang sitzen wir mit einem wunderbaren Ausblick über die weiten
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Glück! |
Felder am Weingut und machen eine Weinprobe. Wer hätte gedacht, dass ich meine erste Weinprobe mal in Myanmar machen würde?
Am zweiten Tag entdecken wir die Region von einem Boot aus. Gemeinsam mit unserem Guide fahren wir den ganzen Tag über den See und gehen an verschiedenen interessanten Punkten an Land. Der See bestimmt das Leben der Inta, "den Menschen vom See". Sie stehen eindrucksvoll mit einem Bein auf ihren Booten und führen mit dem anderen Fuß die Fischernetze. In den schwimmenden Gärten bauen sie wertvolle Nahrungsmittel an. Ihre Häuser stehen auf Stelzen, in denen sie traditionelle Handwerke ausführen. Wir besuchen Silberschmiede und Papiermanufakturen, kosten burmesische Zigarren und besichtigen Webereien. Hier wird die teuerste Seide der Welt hergestellt und verarbeitet: die Lotusseide, die sieben Mal teurer ist als herkömmliche Seide. Bricht man die Blütenstiele gelangt man an einen unglaublich dünnen Faden, der per Hand gedreht, abgetrennt und gesponnen wird. Von der Manufaktur aus blickt man über weite Lotusblumenfelder die erhaben auf dem Wasser schwimmen. Für die Lotusseidenhersteller ist die wirtschaftliche Öffnung Myanmars eine große Chance, ihre Ware zu vermarkten. Doch auch sollte man einen Blick auf die Nachhaltigkeit des Tourismus werfen, der sicherlich eine Chance und neue Einkommensquelle für die Menschen vom See darstellen kann.
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Jen glücklich - mit Myanmar Bier |
Doch je mehr Touristen kommen, desto mehr werden die Fischer und die Natur gestört und mehr Müll hinterlassen. Schon jetzt brausen mehr und mehr laute Motorboote über den See...Dennoch kann man derzeit noch die wunderbar ursprüngliche Stimmung am See erleben. Während mir auf der Rückfahrt kühle Wind um die Nase weht und leichte Regentropfen auf mich herabfallen, denke ich darüber nach, wie diese Region und das ganze Land wohl in zehn Jahren aussehen wird, wenn Ursprünglichkeit und Traditionen weggewischt sein könnten. Wenn der Massentourismus das Land übernommen hat und Fabriken in der Landschaft stehen. Ich als Touristin sehe die Ursprünglichkeit und die tief verwurzelten Traditionen als romantisch an. Ich als Geographin muss diese Merkmale als rückständige Entwicklung sehen. Wie immer stellt sich die Frage: Wie funktioniert Entwicklung nachhaltig und was betrachten wir eigentlich als Entwicklung? Doch statt diverse Entwicklungstheorien auszupacken, gönne mir an diesem Abend den Luxus und bin einfach mal Touristin, die den Augenblick genießt.
Drittes Ziel: Die Tempelebene von Bagan
Nach zwei wunderbaren Tagen am Inle-Lake nehmen wir Tagesbus nach Bagan, einer riesigen Tempelebene im Westen des Landes. Es geht durch trockene Landschaft, überall sind Felder, deren Grenzen mit riesigen Palmen gekennzeichnet wurden. Überall laufen Kühe über die Straße und ich fühle mich auf seltsame Art und Weise nach Äthiopien zurückversetzt. Ich genieße die Landschaft und die Zeit, um nachzudenken und zu träumen. Mir wird schlagartig bewusst, wie krass richtig einfach die Entscheidung war, ins Ausland zu sehen. Man sagt immer so locker daher, wie Reisen und fremde Kulturen den Horizont erweitern, aber nimmt man es ernst?
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Bagan |
Ich erreiche auf dieser Busfahrt die nächste Stufe Glück und bin voll Energie und Entdeckerlust Bagan, als wir Bagan erreichen. Normale Reiseprobleme bestimmen unseren Weg ins Hotel. Leider machte man uns mit einem falschen Zimmerpreis eine Unterkunft schmackhaft. Allerdings will vom ursprünglichen Preis nach Ankunft im Hotel keiner mehr etwas gewusst haben. Nun ja, das erlebt man ja schon mal...Wir suchen uns also eine andere Unterkunft und verbringen den Abend auch gleich dort, da starker Sturm und Regen die sandigen Wege eher weniger befahrbar machen. Am nächsten Morgen brechen wir zu einer langen Fahrradtour durch die Tempelebene auf. In Burma sind fast alle Pagoden golden - nur hier in Bagan sind sie aus rötlichem und gelblichem Stein. Die Tempelebene ist wirklich riesig und so entscheiden Jen und ich uns, nur an manchen der Pagoden Halt zu machen. Wir bewundern steinalte Wandgemälde, riesige Buddhas, die in den dunkeln Räumen nur ein wenig in Licht getaucht werden und richtig gruselig aussehen. Beim Mittagessen lernen wir eine nette burmesische Familie kennen, die uns neugierig befragt. Auch wir stellen viele Fragen und werden prompt zum Essen eingeladen, auf das wir uns an diesem Abend freuen dürfen. Doch zuerst überwinde ich am Abend meine Höhenangst und klettere gemeinsam mit Jen auf eine hohe Pagode. Die Aussicht ist atemberaubend schön! Auch wenn die Sonne sich heute nicht so richtig rausgetraut hat und wir dementsprechend keinen schönen Sonnenuntergng bewundern können. Unsere "neuen Bekannten" holen uns anschließend an unserem Hotel ab und führen uns zu ihrem Haus, dessen Fassade einladend komplett offen ist. Das Haus ist aus Holz und sehr einfach eingerichtet. Man hat extra Reissuppe mit Hühnchen für uns vorbereitet, um unsere empfindlichen Mägen zu schonen. Die Familie wurde 1990 von der Regierung zwangsumgesiedelt, um dem Tourismus mehr Raum zu schaffen. Bis heute gibt es Zwangsumsiedlungen und Zwangsarbeit in Burma. Der Sohn der Familie studiert Medizin in einer benachbarten Stadt und spricht gutes Englisch. Wenn er frei hat, hilft er seinem Vater die Felder zu bestellen. Die Mutter führt ein kleines Restaurant. Sie sagt, es kämen nicht viele Touristen zu ihr, denn die gingen lieber in größere Restaurants. Viele Dinge machen mich immer wieder traurig und erinnern mich daran, den Tourismus in diesem Land richtig zu reflektieren und machen mir bewusst, dass auch ich Touristin bin. Der Verlauf des Abends jedoch stimmt mich abermals glücklich, denn wir tauschen uns viel aus und lachen gemeinsam, ehe wir uns mit einem ausgiebigen "Auf Wiedersehen" verabschieden. Wer weiß... Wir verlassen Bagan auf einer hohen Glückstufe!
Viertes Ziel: Mandalay und Umgebung
Unser letztes Ziel ist Mandalay, die zweitgrößte Stadt des Landes zentral im Norden gelegen. Die Stadt ist nach Aufenthalten am Inle-Lake und in Bagan - Orte der Ruhe - ein Schock. Es ist dreckig, es wimmelt nur so von Mofas und Autos und die stickige Luft und die Lautstärke macht uns sofort müde. Ein wenig genervt vom Chaos finden wir schließlich zwei nette junge Männer, die uns auf ihren Motorrädern zu einem Hotel ins Zentrum bringen.
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Kinder und wir - mit Thanaka! |
Sie bieten uns an, am nächsten Tag mit uns einen Tagesausflug in die Umgebung zu machen. Sie haben in einer Art Gästebuch Empfehlungen von anderen Touristen gesammelt und zeigen es uns stolz. Wir sind froh, so schnell Tourguides gefunden zu haben und verabreden uns für den nächsten Morgen. An diesem Tag gönnen wir uns nur noch ein großes Eis und eine Runde Internetcafé, denn wir müssen uns erstmal an das chaotische Mandalay gewöhnen. Der nächste Tag wird dafür aber wunderbar. Unsere beiden flotten Tourguides bringen uns sicher zu vielen tollen Orten in der Umgebung. Wir besichtigen die antike Stadt Amarapura, deren alte Tempel sehr erhaben sind und diverse riesige Buddha-Statuen beherrbergen. Außerdem besuchen wir in Inwa weitere historische Tempelanlagen und fahren mit einer Pferdekutsche durch die wieder einmal wunderbare Landschaft. Ich versöhne mich mit Mandalay und komme wieder auf meine alte Glücksstufe zurück...Schließlich "wandern" wir zum Sonnenuntergang (wieder wolkig...) über die 1,2 Kilometer lange U-Bein-Brücke, die älteste und längste Holzbrücke des Landes. Starker Wind fegt uns bald von ihr herunter und wir erleben anschließend eine wilde und schnelle Motorradfahrt zurück nach Mandalay, wo der Sturm bereits gewütet hat und so einige Strommasten umgeworfen hat. Unseren letzten Vormittag verbringen wir auf dem größten Markt der Stadt und lassen uns Longyis anfertigen und feilschen ein wenig um Jade minderer Qualität, die wir uns leisten können. Mandalay ist das Zentrum der buddhistischen Handwerkskunst und Handelszentrum des begehrten Edelsteins Jade. Diese Aspekte machen Mandalay als Stadt zwar nicht schöner, dafür aber sehr interessant. Jen lässt ihre Zeit mit einer burmesischen Massage ausklingen, während ich in einem Café, welches gleichzeitig Antiquitäten-Laden ist, mit einem guten Buch und einem frischen Mango-Smoothie ausklingen. Schließlich erklimmen wir am frühen Abend den Mandalay-Hill, in der Hoffnung, endlich einen Sonnenuntergang zu erleben.
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Die U-Bein Brücke |
Wir werden nicht enttäuscht - nach Erklimmen der 934 Stufen und 3 riesige Buddhas später blicken wir auf Mandalay, das von hier oben endlich mal ruhig und berechenbar aussieht. Das Sonnenlicht taucht mal wieder alles in ein wunderbares Licht und wir werden innerlich ruhig. Reisen setzt diese eigenartige Kraft in dir frei, es hat diese besinnenden Elemente, die ich so sehr zu schätzen gelernt habe in den letzten Jahren. Ich schaue auf die Sonne und blicke auf fast perfekte zehn Reisetage zurück, in denen ich viel gelernt, gesehen und erlebt habe. Vier perfekte Momente an vier verschiedenen Orten in diesem einzigartigen Land. Ich bin froh, manchmal auch einfach Touristin sein zu können.
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Der Sonnenuntergang am Mandalay Hill - der krönende Abschluss |