Freitag, 21. Juni 2013

Gelbe Mangos, warmer Regen

Während der Wechsel der thailändischen Jahreszeiten mir bewusst macht, wie schnell die Zeit vergangen ist, schaue ich zurück auf ein Jahr voller Erlebnisse, Erfahrungen und Abenteuer. Hier sind ein paar Geschichten über Veränderungen, die Gutes verheißen und Ungewissheit bringen können. Über das Schwitzen und Frieren, süße Früchtchen und Regencapes. Über städtischen Wandel, die Definition von Heimat und meinen Abschied von Thailand. 

Schwitzen bei 40°C, Frieren bei 27 °C 

Mangos machen die heiße Jahreszeit erträglich
Wie wahrscheinlich auch in allen anderen Teilen der Erde redet man auch in Thailand gerne über das Wetter. Das Wetter bestimmt unsere Laune, unsere Vorhaben und bietet ein wunderbares Smalltalk-Thema – und in einem fremden Land bringt es neue Erfahrungen. Zentral- und Nordthailand sind von drei Jahreszeiten geprägt: dem „Winter“ zwischen November und März, der heißen Zeit von April bis Mai und der Regenzeit, die im Juni beginnt und im bereits im September, aber spätestens im Oktober endet. Für uns Deutsche ist der thailändische Winter eine wunderbare Jahreszeit. Auch in diesen Monaten erreichen die Temperaturen für deutsche Verhältnisse immer noch sommerliche Werte, sodass T-Shirts und Flatterhosen nicht im Schrank bleiben müssen. Anfang April aber ist der Winter vorbei und die Gespräche über das Wetter nehmen deutlich zu: schließlich sind 40 °C auch für Thais kein Zuckerschlecken. Nicht selten also wird man so begrüßt: „How are you? Today is very hot!“. Mit einer flatternden Handbewegung und einem leidigen Gesichtsausdruck wird diese Begrüßung noch einmal unterstrichen. Je wärmer es wird, desto mehr Schichten Kleidung trägt man hierzulande übrigens. Denn im Gegensatz zu unserer Kultur liebt man eine weiße Haut, die von der Sonne geschützt werden soll. Leider hilft alles Reden über die Hitze nichts, die Hot Season kommt, ob man will oder nicht. Aber für uns Freiwillige gab es trotzdem einen Grund zur Vorfreude:  Hot
Rainy Season
Season = Mango Season
! Mangos gibt es in Thailand zwar das ganze Jahr über, aber nur in der heißen Jahreszeit sind sie gelb, süß und wunderbar saftig. Jeden Tag, an dem ich mit meinem Fahrrad gespannt an den Obstständen vorbei fuhr, wurden die Mangos ein bisschen gelber. Irgendwann strahlten sie wie die Sonne und entschädigten locker für das ständige Schwitzen. Inzwischen ist die Regenzeit eingekehrt. Eingehüllt in Regencapes und ausgestattet mit Gummiflipflops schwingen wir uns tagtäglich auf unser Fahrrad und fahren durch den warmen Regen. An einigen Tagen regnet es kaum oder gar nicht, an anderen schüttet es wie aus Kübeln. Wir haben auch die Strickjacken wieder aus dem Schrank geholt, denn es ist richtig kühl, wenn man abends beim Essen sitzt. Schaut man auf das Thermometer, ist man jedoch überrascht: Die Temperaturen erreichen immer noch weit über 20 °C!  Die Landschaft erstrahlt so langsam wieder in vollen Grüntönen und so erinnert mich nicht nur der Regen daran, wie es war, als ich vor 10 Monaten nach Thailand kam und wie sich meine Zeit hier nun langsam dem Ende  zuneigt…


Grenzenloses Wachstum? – städtischer Wandel in Mae Sot        
               
Noch ist der Verkehr überschaubar in Mae Sot
Es ist früh am Morgen, halb sechs. Die Straßen von Mae Sot sind noch verschlafen, jediglich ein paar Hunde streunen umher, einige Mönche sammeln Gaben. Ihre orange leuchtenden Kutten setzen sich vom grauen Asphalt ab, wie die Blüte eines Löwenzahns, der sich seinen Weg durch den steinigen Boden gebahnt hat. Schon in einer Stunde wird sich das Stadtbild verändert haben – Autos und Motorroller werden über die Straßen düsen, Arbeiter auf den Baustellen ihre Arbeit aufnehmen und es wird etwas sichtbar werden, von dem man nicht so recht weiß, ob es einem gefallen soll: Wandel. Noch vor rund 15 Jahren war Mae Sot eine periphere Kleinstadt. Die wirtschaftliche Bedeutsamkeit des Ortes beschränkte sich auf den lokalen Handel, lediglich einige internationale Mitarbeiter von NGOs kamen in die Stadt, um in den drei Flüchtlingslagern in der Region zu arbeiten. Mit den politischen Veränderungen des Nachbarlandes Burma [Myanmar] und der stetigen Auflösung wirtschaftlicher Sanktionen, begann die wirtschaftliche Entwicklung und leitete den Wachstumsprozess der Stadt ein. 1997 eröffnete die Thai-Myanmar Friendship Bridge, die sich symbolisch für diese Veränderung über den Grenzfluss schwingt. Heute sagt man Mae Sot voraus, das „Tor des Westens“ zu werden. Doch um soziale Probleme zu verhindern, muss bei einer wachsenden Bevölkerung und ökonomischen Vorhaben auch an den Ausbau der Infrastruktur bestimmter städtischer Grundversorgungseinrichtungen gedacht werden. Schulen, Krankenhäuser, öffentlicher Personennahverkehr – all das kann ohne Investitionen und Ausbau nicht mit dem Wachstum mithalten. Die thailändische Bevölkerung soll sich laut offiziellen Prognosen in den nächsten zwei Jahren fast verdoppeln. Von diesen Prognosen
Auf Müllkippen wie diesen arbeiten viele Migranten
ausgeschlossen sind die Migranten, die über die Grenze von Burma nach Thailand kommen, da die Lebens- und Arbeitsbedingungen besser als in ihrem Heimatland sind. Schätzungen zufolge leben  rund 100 000 Migranten in Mae Sot, jedoch varieren und ändern sich die Zahlen stark. Der Traum von einem besseren Leben entpuppt sich oft als unerreichbare Illusion. Genau diese Bevölkerungsgruppe steht bereits heute sozial am Rand der Gesellschaft und wird wohl kaum von den künftigen Wachstumsprozessen profitieren. Migranten arbeiten auf der Mülldeponie (Reportage "Der Müll und das Mädchen, derzeit abrufbar in der ZDF Mediathek http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1813486/Der-Muell-und-das-Maedchen#/beitrag/video/1813486/Der-Muell-und-das-Maedchen und "The people of the Mae Sot dump site" http://www.youtube.com/watch?v=5sX_mGtQXHQ), nähen in Textilfabriken oder schuften auf Baustellen – und das für minimale Löhne, ohne soziale Absicherungen und unter teilweise menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Auch lokale Geschäfte leiden unter der verstärkten Konkurrenz, die durch die Eröffnung von großen Restaurant- und Supermarktketten entsteht, denn sie können oftmals nicht mithalten. Zwar hoffen sie darauf, dass mit dieser Entwicklung auch eine verstärkte Kundschaft in die Stadt strömt – schaut man jedoch auf andere Länder und Städte mit einer derartigen Entwicklung wird man feststellen, dass lokale Geschäfte ziemlich schnell vom Markt gedrängt werden. Und so führen die Veränderungen in Mae Sot in die Ungewissheit und es bleibt die Frage: Wie kann (wirtschaftliche) Entwicklung gelingen, ohne dass Menschen ausgegrenzt werden?

Die Definition von Heimat – Flüchtlinge steuern in eine ungewisse Zukunft 

Auch in Umpiem Camp ist die Zukunft ungewiss
„Heimat ist dort, wo wir uns verstanden fühlen und sein können, wer wir sind.“ – so lautete einer der MISEREOR Fastenimpulse in diesem Jahr. Das Wort Heimat und dessen Bedeutung begleitet mich schon meinen ganzen Freiwilligendienst über. Seit Januar arbeite ich hauptsächlich mit einem Team von Sozialarbeitern in Mae La, dem größten der neun Flüchtlingslager entlang der Grenze. Mehrmals in der Woche besuche ich Menschen, die auf die Hilfe der vielen ansässigen NGOs besonders angewiesen sind. Kranke, Alte, und Behinderte, Waisen oder alleinerziehende Eltern. Meine eigenen Blickwinkel haben sich über die Monate verändert. Am Anfang wurde mir vor allem bewusst, wie viel Freiheit wert sein kann. Ich habe mich von den engen Gassen und der stickigen Luft im Lager erdrückt gefühlt und mir vorgestellt, wie es ist in so einem Käfig zu leben. Dass dieser Käfig für eine ganze Generation inzwischen Heimat bedeutet, konnte ich mir nicht vorstellen. Erst mit der Zeit habe ich bei Begegnungen mit Flüchtlingen gelernt, wie weit für manche ihre sogenannte Heimat Burma für sie weg ist. Man kann sich nicht vorstellen, dass jemand gerne als Flüchtling in einem engen Lager lebt. „Mae La ist mein zu Hause. Hier kann ich zur Schule gehen und habe Freunde. Ich habe das Dorf aus dem meine Familie kommt noch nie gesehen. Ich kann mir ein Leben dort nicht vorstellen.“  Solche Sätze höre ich sehr oft von Flüchtlingen. In der Tat muss man sich vor Augen halten, dass Burma weitaus weniger Chancen bietet als die Flüchtlingslager in Thailand. Es gibt kaum Bildungsangebote und wenig Arbeitsplätze – auch wenn sich das mit der Öffnung des Landes vielleicht langsam ändert. Jedoch trauen viele der neuen Regierung immer noch nicht und haben zu Recht Angst vor weiteren Konflikten und der Nichteinhaltung von Menschenrechten und Gesetzen. Trotz der Friedensverhandlungen gibt es immer noch gewaltsame Kämpfe. Die Menschen im Camp schauen einer ungewissen Zukunft entgegen. Immer wieder schwirren Gerüchte umher, die die Schließung der Temporary Shelters, wie die Camps offiziell heißen, durch die thailändische Regierung in absehbarer Zeit vorhersagen. Spenderorganisationen ziehen sich zurück und konzentrieren sich auf Projekte innerhalb Myanmars, die die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre „Heimat“ vorbereiten sollen sowie auf Projekte außerhalb der Lager. Damit müssen viele Projekte des derzeit noch gut ausgebauten NGO-Netzes in den Camps gekappt werden. Die Abhängigkeit der Flüchtlinge von Hilfsorganisationen ist groß – gerade nicht registrierte Flüchtlinge (circa 40%) verfügen über keine Rechte außerhalb der Camps; sie sind nach thailändischem Recht Illegale. Die meisten der 150 000 Flüchtlinge in Thailand verfügen außerdem über kein oder ein zu geringes Einkommen, um eigenständig überleben zu können. Auch das US-amerikanische Resettlement Programm schließt diesen Monat und nimmt damit vielen Flüchtlingen die Hoffnung, in ein Drittland umsiedeln zu können. Bereits jetzt gibt es zwar Flüchtlingsströme zurück nach Myanmar und weitaus weniger Neuankünfte, aber dennoch bleiben Tausende Flüchtlinge in den Camps, die auf eine Versorgung angewiesen sind. Es gilt eine Balance zwischen Projekten innerhalb der Camps sowie außerhalb und in Myanmar selber zu finden, was derzeit ein sehr schwieriges Ziel ist.  So habe ich während meines Freiwilligendienstes gelernt, wie paradox die Welt manchmal sein kann. Leben in einem Flüchtlingslager bedeutet nicht nur Verlust von Freiheit, sondern auch Gewinn von Freiheiten und Rechten.
Kinder mit selbstgebasteltem Spielzeug
Flüchtling sein bedeutet nicht unbedingt Heimatverlust – sondern auch Heimatgewinn. Die Flüchtlinge leben in zwei Welten: Vielen ist das Camp zu ihrer Heimat geworden. Es ist kein Käfig, sondern ein Schutzbunker, in dem sie Zugang zu Bildung, Ernährung und Gesundheit erhalten haben. Sie träumen davon nach Amerika zu gehen, sie träumen von einer Ausbildung zu Arzt, die träumen davon, ein Stück Land in Burma zu bekommen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie träumen von Frieden und Freiheit und Rechten. Was ist nun also Heimat? Heimat ist kein Ort auf unserer Welt, Heimat ist im Herzen. Dort, wo wir uns verstanden fühlen.

Ankommen, wenn man fahren muss 

"Warum kommt man eigentlich an, wenn man wieder fahren muss?", frage ich Martina als wir durch den Regen am Abend nach Hause fahren, und ein paar Tränen kullern mir meine Wange herunter. In 10 Monaten Freiwilligendienst in Mae Sot gab es viele Hürden, einige motivationslose Phasen, Ärgernisse und Versäumnisse, aber Heimweh hatte ich kein einziges Mal. Schließlich gab es mindestens genauso viele, nein eigentlich noch viel mehr wunderbare und einzigartige Erlebnisse, die ich niemals missen möchte. Was am Ende bleibt sind die Erinnerungen und Erfahrungen. Was man am Ende braucht, ist die Akzeptanz, zu gehen. Was man Ende nicht haben sollte, ist Panik nach Hause zu gehen. Erinnerungen und Erfahrungen sind das, was ich mir leicht fällt. Das mit der Akzeptanz und der Panik ist eher Theorie. Worte zu finden für das, was man in zehn Monaten in einem anderen Kulturkreis erlebt, ist schwierig. Es gab so viele Ereignisse, so viele Momente, von denen man erzählen möchte, aber die man wahrscheinlich nur nachvollziehen kann, wenn man sie miterlebt hat. Man kann es irgendwie einfach nicht in einem Blog-Artikel-Absatz packen und da ist dieses Gefühl, diese Befürchtung, dass man zu Hause eh nicht so richtig verstanden werden wird. Ein bisschen ist jeder einfach immer auf sich selber angewiesen, seine Erfahrungen zu reflektieren und für sich daraus zu lernen. Deswegen schließe ich meinen Artikel mit einem kleinen Sammelsurium an Gedanken, die mir durch den Kopf gehen, ohne Anpruch auf Vollständigkeit.
Es war eine zauberschöne Zeit.

Ich bin gekommen, um zu lernen. Hatte Erwartungen, die nicht erfüllt werden konnten. Habe dafür gefunden, was ich nie erwartet hätte. Alles kommt immer anders als man denkt.

Ich bin gegen Mauern gelaufen, habe nicht weiter gewusst, mich verloren.

Ich hab die Kraft gefunden, um über Mauern zu springen und Wände einzureißen. Habe mich geöffnet und verändert.

Ich habe Freunde gefunden und Menschen getroffen, deren Geschichten mich berührt haben. Manche bleiben für immer, andere werden nur ein Lichtstrahl in der Ferne sein. Eine Erinnerung von vielen.

Ich habe gelernt, was eine kulturelle Barriere sein kann. Wie viel von mir selber ist durch meine Kultur bedingt? Wie viel davon kann ich ablegen? Wie viel davon möchte ich ablegen? Manche Fragen bleiben offen - für das nächste Abenteuer.

Ich habe getanzt, gesungen, geredet, gelacht und geweint. War offen, ruhig, glücklich, sorglos, frei, anspruchslos, schockiert, ratlos, entmutigt, traurig, freudestrahlend, unschlüssig, festgefahren, verschlossen und lebenslustig. War ganz ich selbst und doch ganz anders. Hab mich neu erfunden.
Eine Achterbahnfahrt.

Am Ende wird einem erst klar wie kostbar jeder Moment war. Ich möchte zurückschauen ohne Reue, meine Versäumnisse akzeptieren und die wunderbaren und glücklichen Augenblicke, alles was ich gelernt und erlebt habe in einen Koffer packen und mitnehmen.

Wer stets an der Vergangenheit festhält bleibt gefangen, aber wer sich erinnert und loslässt, kann frei sein. Schließlich ist jedes Ende ein neuer Anfang. Jeder Abschied die Türe in eine neue Welt.












Donnerstag, 13. Juni 2013

Eine kleine Reise ins Glück

Goldene Pagoden, Mönche in roten Roben und ethnische Vielfalt - all das findet man auf einer Reise nach Myanmar, dem ehemaligen Burma. Doch je länger man durch die trockenen Landschaften fährt, sich vom Chaos der Städte beeindrucken lässt und Menschen begegnet, erfährt man noch etwas ganz anderes: Glück.  

Die Shwedagon Pagode in Yangon
Aufbruch 
Früh am Morgen sitze ich ein wenig nervös am Flughafen und lasse meine Gedanken kreisen. Ich bin auf dem Weg in ein Land, das 20 Jahre lang von einem grausamen ethnischen Konflikt heimgesucht worden ist und von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten war. Ein Land, dessen Bevölkerung in die Nachbarländer fliehen musste und bis heute Angst haben muss, zurückzukehren. Leider werde ich nicht nach Karen-State reisen können, dem Gebiet, aus dem die meisten Flüchtlinge kommen, mit denen ich arbeite. Dennoch bin ich gespannt darauf, was mich erwarten wird und was ich erleben werde.

Eckdaten
Ein paar Eckdaten: Myanmar hat rund 50 Millionen Einwohner (nach Schätzungen der Vereinten Nationen) und ist mit einer Fläche von circa  676 km² sogar etwas größer als Thailand und fast doppelt so groß wie Deutschland. Auf der Rangliste des Human Development Idex liegt es derzeit auf Platz 149 (von 187). Der HDI misst und vergleicht elementare Enwicklungsdaten anhand des Pro-Kopf-Einkommens, der Lebenserwartung sowie des Bildungsstandes (Weitere Informationen: http://hdrstats.undp.org/en/countries/profiles/mmr.html). Regierungssitz und seit 2008 Hauptstadt ist Naypiydaw, während mit rund 6,5 Millionen Einwohnern das kultrelle, politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes die Stadt Yangon (Rangun) ist. Etwa 70% der Bevölkerung sprechen Burmesisch und circa 89% sind Buddhisten. Es werden rund 135 Volksgruppen gezählt, die während der Militärdiktatur bis heute verfolgt und vertrieben wurden. Derzeit gibt es vor allem im Westen des Landes Unruhen und gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen. Die muslimische Minderheit der Rohingya gilt derzeit als die meist verfolgte Minderheit in Burma (Siehe dazu: http://world.time.com/2013/04/23/burma-accused-of-ethnic-cleansing-for-rohingya-violence/).
Mohinga - Frühstück im Tea Shop


Erstes Ziel: Yangon 
Am frühen Morgen bereits erreichen wir den Flughafen von Yangon. Die Einreiseformalitäten erledigen sich schnell, schließlich haben wir bereits unser Visum im Pass. Jen, meine Mitreisende und ich, bekommen schnell ein Taxi. Der freundliche Fahrer bringt uns ins Zentrum der Stadt, welches sich rund um die Sule-Pagode ausbreitet. Auf dem Weg erzählt der Taxi-Fahrer uns unglaublich viel und ist neugierig. Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hinreisen? Was macht ihr in Thailand? Wie lange bleibt ihr? Die Fragen häufen sich nur so und aus ihm spudeln unglaublich viele Informationen heraus. Besonders aufmerksam macht er uns auf das Haus von Aung San Suu Kyi, der Volksheldin von Myanmar. Ihr begegnen man auf seiner Reise überall: Sie ist auf Plakaten, Büchern, Aufklebern und ständig im Gespräch. 15 Jahre lang hat die Nobelpreisträgerin unter der Militärherrschaft unter Hausarrest gestanden, weil sie sich für eine friedliche Demokratisierung ihres Landes eingesetzt hat (Filmtipp: "The Lady" http://www.youtube.com/watch?v=SMYAzQC3UjI). Nachdem wir ein nettes Guesthouse gefunden haben, machen wir uns auch gleich auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Viele Gebäude in Yangon sind durch die britische Kolonialarchitektur geprägt - jedoch ist viel davon völlig verfallen. Wir machen Halt an einem der vielen Tea Shops. Diese kleinen Cafés sind die alltäglichen Lebensmittelpunkte in Burma. Hier geht man Essen, trifft Freunde, schaut Fernsehen, liest die Zeitung. Auf dem Tisch steht immer eine Kanne mit heißem Tee, drum herum kleine Tässchen, aus denen man kostenlos Tee trinken darf. Wir bestellen zwei Mal Mohinga, das typische Frühstück. Es ist eine Suppe aus - ach, eigentlich weiß ich gar nicht so genau woraus sie besteht. Sie schmeckt ein wenig fischig und lecker....
Am Abend dieses wunderbaren ersten Entdeckungstages besteigen wir die heiligste Pagode Myanmars: Shwedagon. Sie erhebt sich glänzend über die chaotische Stadt und ist mit Tonnen Gold und Edelsteinen geschmückt. Unsere Schuhe lassen wir bereits an den unteren Stufen stehen, ehe wir uns durch diesen meditativen Ort mitten im Großstaddschungel beeindrucken lassen. Hunderte Buddhisten knien betend vor den unzähligen Buddha-Statuen, machen sauber oder führen Gespräche, während sie über die riesige Plattform spazieren. Nachdem wir die vielen Ecken und Wege der Shwedagon Pagode entdeckt haben und die Abendsonne das Gold in rötlichem Licht erstrahlen lässt, machen wir uns auf den Weg zurück zu unserem Gasthaus. Wir fühlen uns auf seltsame Weise ausgeglichener und ruhig. Der erste Schritt in Richtung Glück.

Zweites Ziel: Inle-Lake
Nach einem zweiten Entdeckungstag und einer unerträglich heißen Nacht ohne Strom und fließend Wasser in unserem Gasthaus in Yangon, nehmen wir den Nachtbus zum Inle-Lake, dem zweitgrößten See des Landes. Dieser liegt zentral im östlichen Shan-State.
Ein junger Fischer
Der Nachtbus ist eine bequeme Reisemöglichkeit, wenn auch mein Sitz (als einziger im ganzen Bus) aufgrund eines Defekts nicht zurücklehnbar ist...So schaue ich die ganze Nacht den Leuten um mich herum beim Schlafen zu und bin froh, nach Ankunft in Nyaungshwe am Inle-Lake noch einige Stunden Schlaf nachholen zu können. Am Inle-Lake erreichen wir die zweite Glücks-Etappe. An unserem ersten Tag machen wir eine Fahrradtour am See entlang. Es ist heiß - aber weitaus kühler als in der stickigen Großstadt. Vorbei an Reisfeldern, winkenden und lachenden Kindern geht es bis zu einem kleinen Tempel, der auf einem Hügel steht. Der Ausblick ist wunderbar...In der Ferne der See, umschlungen von den hohen Shan-Bergen, deren Gipfel in leichte Wolkenschleier getaucht sind. Ich spüre pures Glück. Anschließend gehen wir in heißen Quellen baden. In Sarongs - hierzulande Longyis genannt - gehüllt entspannen wir im heißen Wasser und witzeln gemeinsam mit den einheimischen Frauen herum. Am frühen Abend, als sich die Sonne langsam dem Horizont entgegen neigt, entdecken wir ein Weingut in den Bergen. Pünktlich zum Sonnenuntergang sitzen wir mit einem wunderbaren Ausblick über die weiten
Glück!
Felder am Weingut und machen eine Weinprobe. Wer hätte gedacht, dass ich meine erste Weinprobe mal in Myanmar machen würde?
Am zweiten Tag entdecken wir die Region von einem Boot aus. Gemeinsam mit unserem Guide fahren wir den ganzen Tag über den See und gehen an verschiedenen interessanten Punkten an Land. Der See bestimmt das Leben der Inta, "den Menschen vom See". Sie stehen eindrucksvoll mit einem Bein auf ihren Booten und führen mit dem anderen Fuß die Fischernetze. In den schwimmenden Gärten bauen sie wertvolle Nahrungsmittel an. Ihre Häuser stehen auf Stelzen, in denen sie traditionelle Handwerke ausführen. Wir besuchen Silberschmiede und Papiermanufakturen, kosten burmesische Zigarren und besichtigen Webereien. Hier wird die teuerste Seide der Welt hergestellt und verarbeitet: die Lotusseide, die sieben Mal teurer ist als herkömmliche Seide. Bricht man die Blütenstiele gelangt man an einen unglaublich dünnen Faden, der per Hand gedreht, abgetrennt und gesponnen wird. Von der Manufaktur aus blickt man über weite Lotusblumenfelder die erhaben auf dem Wasser schwimmen. Für die Lotusseidenhersteller ist die wirtschaftliche Öffnung Myanmars eine große Chance, ihre Ware zu vermarkten. Doch auch sollte man einen Blick auf die Nachhaltigkeit des Tourismus werfen, der sicherlich eine Chance und neue Einkommensquelle für die Menschen vom See darstellen kann.
Jen glücklich - mit Myanmar Bier
Doch je mehr Touristen kommen, desto mehr werden die Fischer und die Natur gestört und mehr Müll hinterlassen. Schon jetzt brausen mehr und mehr laute Motorboote über den See...Dennoch kann man derzeit noch die wunderbar ursprüngliche Stimmung am See erleben. Während mir auf der Rückfahrt kühle Wind um die Nase weht und leichte Regentropfen auf mich herabfallen, denke ich darüber nach, wie diese Region und das ganze Land wohl in zehn Jahren aussehen wird, wenn Ursprünglichkeit und Traditionen weggewischt sein könnten. Wenn der Massentourismus das Land übernommen hat und Fabriken in der Landschaft stehen. Ich als Touristin sehe die Ursprünglichkeit und die tief verwurzelten Traditionen als romantisch an. Ich als Geographin muss diese Merkmale als rückständige Entwicklung sehen. Wie immer stellt sich die Frage: Wie funktioniert Entwicklung nachhaltig und was betrachten wir eigentlich als Entwicklung? Doch statt diverse Entwicklungstheorien auszupacken, gönne mir an diesem Abend den Luxus und bin einfach mal Touristin, die den Augenblick genießt.

Drittes Ziel: Die Tempelebene von Bagan 
Nach zwei wunderbaren Tagen am Inle-Lake nehmen wir Tagesbus nach Bagan, einer riesigen Tempelebene im Westen des Landes. Es geht durch trockene Landschaft, überall sind Felder, deren Grenzen mit riesigen Palmen gekennzeichnet wurden. Überall laufen Kühe über die Straße und ich fühle mich auf seltsame Art und Weise nach Äthiopien zurückversetzt. Ich genieße die Landschaft und die Zeit, um nachzudenken und zu träumen. Mir wird schlagartig bewusst, wie krass richtig einfach die Entscheidung war, ins Ausland zu sehen. Man sagt immer so locker daher, wie Reisen und fremde Kulturen den Horizont erweitern, aber nimmt man es ernst?
Bagan
Ich erreiche auf dieser Busfahrt die nächste Stufe Glück und bin voll Energie und Entdeckerlust Bagan, als wir Bagan erreichen. Normale Reiseprobleme bestimmen unseren Weg ins Hotel. Leider machte man uns mit einem falschen Zimmerpreis eine Unterkunft schmackhaft. Allerdings will vom ursprünglichen Preis nach Ankunft im Hotel keiner mehr etwas gewusst haben. Nun ja, das erlebt man ja schon mal...Wir suchen uns also eine andere Unterkunft und verbringen den Abend auch gleich dort, da starker Sturm und Regen die sandigen Wege eher weniger befahrbar machen. Am nächsten Morgen brechen wir zu einer langen Fahrradtour durch die Tempelebene auf. In Burma sind fast alle Pagoden golden - nur hier in Bagan sind sie aus rötlichem und gelblichem Stein. Die Tempelebene ist wirklich riesig und so entscheiden Jen und ich uns, nur an manchen der Pagoden Halt zu machen. Wir bewundern steinalte Wandgemälde, riesige Buddhas, die in den dunkeln Räumen nur ein wenig in Licht getaucht werden und richtig gruselig aussehen. Beim Mittagessen lernen wir eine nette burmesische Familie kennen, die uns neugierig befragt. Auch wir stellen viele Fragen und werden prompt zum Essen eingeladen, auf das wir uns an diesem Abend freuen dürfen. Doch zuerst überwinde ich am Abend meine Höhenangst und klettere gemeinsam mit Jen auf eine hohe Pagode. Die Aussicht ist atemberaubend schön! Auch wenn die Sonne sich heute nicht so richtig rausgetraut hat und wir dementsprechend keinen schönen Sonnenuntergng bewundern können. Unsere "neuen Bekannten" holen uns anschließend an unserem Hotel ab und führen uns zu ihrem Haus, dessen Fassade einladend komplett offen ist. Das Haus ist aus Holz und sehr einfach eingerichtet. Man hat extra Reissuppe mit Hühnchen für uns vorbereitet, um unsere empfindlichen Mägen zu schonen. Die Familie wurde 1990 von der Regierung zwangsumgesiedelt, um dem Tourismus mehr Raum zu schaffen. Bis heute gibt es Zwangsumsiedlungen und Zwangsarbeit in Burma. Der Sohn der Familie studiert Medizin in einer benachbarten Stadt und spricht gutes Englisch. Wenn er frei hat, hilft er seinem Vater die Felder zu bestellen. Die Mutter führt ein kleines Restaurant. Sie sagt, es kämen nicht viele Touristen zu ihr, denn die gingen lieber in größere Restaurants. Viele Dinge machen mich immer wieder traurig und erinnern mich daran, den Tourismus in diesem Land richtig zu reflektieren und machen mir bewusst,  dass auch ich Touristin bin. Der Verlauf des Abends jedoch stimmt mich abermals glücklich, denn wir tauschen uns viel aus und lachen gemeinsam, ehe wir uns mit einem ausgiebigen "Auf Wiedersehen" verabschieden. Wer weiß... Wir verlassen Bagan auf einer hohen Glückstufe!

Viertes Ziel: Mandalay und Umgebung
Unser letztes Ziel ist Mandalay, die zweitgrößte Stadt des Landes zentral im Norden gelegen. Die Stadt ist nach Aufenthalten am Inle-Lake und in Bagan - Orte der Ruhe - ein Schock. Es ist dreckig, es wimmelt nur so von Mofas und Autos und die stickige Luft und die Lautstärke macht uns sofort müde. Ein wenig genervt vom Chaos finden wir schließlich zwei nette junge Männer, die uns auf ihren Motorrädern zu einem Hotel ins Zentrum bringen.
Kinder und wir - mit Thanaka!
Sie bieten uns an, am nächsten Tag mit uns einen Tagesausflug in die Umgebung zu machen. Sie haben in einer Art Gästebuch Empfehlungen von anderen Touristen gesammelt und zeigen es uns stolz. Wir sind froh, so schnell Tourguides gefunden zu haben und verabreden uns für den nächsten Morgen. An diesem Tag gönnen wir uns nur noch ein großes Eis und eine Runde Internetcafé, denn wir müssen uns erstmal an das chaotische Mandalay gewöhnen. Der nächste Tag wird dafür aber wunderbar. Unsere beiden flotten Tourguides bringen uns sicher zu vielen tollen Orten in der Umgebung. Wir besichtigen die antike Stadt Amarapura, deren alte Tempel sehr erhaben sind und diverse riesige Buddha-Statuen beherrbergen. Außerdem besuchen wir in Inwa weitere historische Tempelanlagen und fahren mit einer Pferdekutsche durch die wieder einmal wunderbare Landschaft. Ich versöhne mich mit Mandalay und komme wieder auf meine alte Glücksstufe zurück...Schließlich "wandern" wir zum Sonnenuntergang (wieder wolkig...) über die 1,2 Kilometer lange U-Bein-Brücke, die älteste und längste Holzbrücke des Landes. Starker Wind fegt uns bald von ihr herunter und wir erleben anschließend eine wilde und schnelle Motorradfahrt zurück nach Mandalay, wo der Sturm bereits gewütet hat und so einige Strommasten umgeworfen hat. Unseren letzten Vormittag verbringen wir auf dem größten Markt der Stadt und lassen uns Longyis anfertigen und feilschen ein wenig um Jade minderer Qualität, die wir uns leisten können. Mandalay ist das Zentrum der buddhistischen Handwerkskunst und Handelszentrum des begehrten Edelsteins Jade. Diese Aspekte machen Mandalay als Stadt zwar nicht schöner, dafür aber sehr interessant. Jen lässt ihre Zeit mit einer burmesischen Massage ausklingen, während ich in einem Café, welches gleichzeitig Antiquitäten-Laden ist, mit einem guten Buch und einem frischen Mango-Smoothie ausklingen. Schließlich erklimmen wir am frühen Abend den Mandalay-Hill, in der Hoffnung, endlich einen Sonnenuntergang zu erleben.
Die U-Bein Brücke
Wir werden nicht enttäuscht - nach Erklimmen der 934 Stufen und 3 riesige Buddhas später blicken wir auf Mandalay, das von hier oben endlich mal ruhig und berechenbar aussieht. Das Sonnenlicht taucht mal wieder alles in ein wunderbares Licht und wir werden innerlich  ruhig. Reisen setzt diese eigenartige Kraft in dir frei, es hat diese besinnenden Elemente, die ich so sehr zu schätzen gelernt habe in den letzten Jahren. Ich schaue auf die Sonne und blicke auf fast perfekte zehn Reisetage zurück, in denen ich viel gelernt, gesehen und erlebt habe. Vier perfekte Momente an vier verschiedenen Orten in diesem einzigartigen Land. Ich bin froh, manchmal auch einfach Touristin sein zu können.

Der Sonnenuntergang am Mandalay Hill - der krönende Abschluss